Eine Untersuchung des Schattens in Layers of Fear
Einleitung
Der Text basiert auf einer Hausarbeit vom 15.04.2018
Manchmal versetzen sie ihre BetrachterInnen in Entzückung, wenn sie lautlos und elegant über die Wände huschen, während sie ihre meisterlichen Formwandlungskünste demonstrieren. Schleichen sie sich jedoch aus dem Nichts an und strecken sich, als wollten sie zuschnappen, erzeugen sie Unbehagen und Angst.
Seit jeher sind die Menschen von Schatten zugleich fasziniert und fürchten sie. Bereits im Mittelalter beschäftigten sich Wissenschaftler mit den Naturphänomenen, die Licht in Wechselwirkung mit Materie erzeugt, und ebneten dadurch das Fundament der Optik.1 „[Mit] der Entdeckung der Perspektive“2 ziehen Schatten im Zeitalter der Renaissance auch in die Bildwelten von Künstlern ein. Sie etablieren sich zu einem festen ästhetischen Bestandteil der Gestaltung und weiten sich über sämtliche Medien aus. Dass Schatten und Kunst in einer besonderen Beziehung zueinander stehen, belegen jedoch schon antike Quellen wie Plinius' Schöpfungsmythos der Malerei durch Dibutades Tochter3 oder das Höhlengleichnis und dessen Ausführung in Platons Politeia. Victor Ieronim Stoichita, der einen umfangreichen Querschnitt zur Wechselbeziehung von Kunst und Schatten formuliert hat, fasst die Essenz dieser Quellen zusammen, indem er schreibt, „daß die Schönheit der Malerei […] ihren Ursprung in der unscheinbarsten, unschönsten unter den Darstellungen hat: dem Schatten“.4 Angeregt durch diese und weitere Werke wurden Schatten nicht nur zum Erzeuger und Träger von Atmosphäre sowie Realitätsillusion im Kunstwerk sondern auch zu Symbol und Metapher mit unterschiedlichsten Deutungen.
Auch im „first-person psychedelic horror game“5 Layers of Fear des polnischen Studios Bloober Team, das mithilfe der Unity-Engine entwickelt und 2016 von Aspyr Media veröffentlicht wurde, spielen Schatten eine tragende Rolle, wie bereits in dem Vorwort zum Computerspiel zum Ausdruck gebracht wird:
Layers of Fear ist ein einzigartiges Spielerlebnis, bei dem jede Entscheidung die Geschichte beeinflusst. Wie im richtigen Leben sind es die geöffneten Türen, die mitgenommenen Erinnerungen und die erforschten Schatten, die dich definieren. Es mag unser Spiel sein, aber es ist deine Reise.
Im Rahmen des vorliegenden Aufsatzes soll dieser Aufforderung, die Schatten zu erforschen, nachgekommen werden. Die Untersuchung eines relativ jungen Mediums wie des Simulationsbildes6 kann von den bereits gewonnenen Erkenntnissen in Bezug auf Tafelbild, Fotografie und bewegtes Bild profitieren und dabei neue Ergebnisse generieren. Das Beispiel Layers of Fear ist auch deshalb besonders gut für eine Analyse des Schattens als Gestaltungselement und Metapher geeignet, da das Spiel das eng verknüpfte Thema ‚Kunstschaffen‘ in den Mittelpunkt seiner Geschichte stellt. Auch durch die Fachpresse wurde das Spiel überwiegend positiv rezipiert. Die Plattformen PC Guru Magazine, Pixel Heaven und Windows Central zeichneten Layers of Fear jeweils mit den Preisen Best Indie Game 2016, Best Art Award 2016 und Best Horror Game 2016 aus.
Dem Hauptteil geht eine kurze Zusammenfassung voraus, die Gameplay und Plot des Spiels vorstellt. Anschließend folgen Beispiele der ‚gefundenen‘ Schatten, die hinsichtlich ihrer Darstellungsart, Wirkung und Funktion mit Rückgriff auf bekannte Motive aus Kunst, Literatur und Kulturgeschichte beschrieben und interpretiert werden.
1 Vgl. Stoichita, Victor Ieronim (1991): Eine kurze Geschichte des Schattens. S.44. Aus dem Franz. von Heinz Jatho. Fink: München ( = Bild und Text).
2 Ebd.
3 Die Schreibweise ‚Dibutades‛ und Wiedergabe des Mythos orientiert sich hier an Stoichita, der auf Plinius aufbauend auch Erweiterungen anderer Autoren berücksichtigt.
4 Ebd.: 43.
5 Offizielle Webseite zum Spiel: www.layersoffear.com. Für die Analyse der vorliegenden Arbeit wurde auf die Version für Windows zurückgegriffen.
6 In Anlehnung an Stephan Günzel wird für die Benennung von Computerspielbildern oder interaktiven Bildern der Terminus ‚Simulationsbild‘ präferiert. Simulationsbilder „geben demnach etwas zu sehen, das über ihre Materialität hinaus geht. […] Denn diese zeigen nicht nur Bildobjekte, sondern der Betrachter kann die erscheinenden Objekte selbst bewegen.“ (Grünzel, Stephan (2008): Raum, Karte und Weg im Computerspiel. S.119 In: Game over!? Perspektiven des Computerspiels. Hrsg. von Jan Distelmeyer, Christine Hanke und Dieter Mersch. Transcipt: Bielefeld ( = Metabasis Bd.1). S.115-132.)
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