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  • angelinaekkert

Die erhabene Landschaft im Computerspiel (1)

Am Beispiel von The Legend of Zelda: Breath of the Wild


Einleitung

 

Der Text basiert auf einer Hausarbeit vom 10.08.2020


Als Auftakt zur Doppelausstellung Gefahr & Schönheit, die sich dem Maler William Turner unter dem Aspekt Tradition des Erhabenen widmen soll, organisiert das Rijksmuseum Twenthe vom 24. Januar bis zum 16. August 2015 eine Ausstellung, die „die erhabene Landschaft von heute“1 in den Fokus rückt. Diese „Darstellungen von un­endlich weiten Aussichten auf Bergspitzen, brausende Meere und dunkle Wälder, bei denen der Betrachter von den Gefühlen der Gefahr, Schönheit und Nichtigkeit überwältigt wird“2, so die These des Museums, verloren zur Mitte des 20. Jahrhunderts an At­traktivität.


Doch sei „das Erhabene [...] nun in einer völlig unerwarteten Art und Weise zurückgekehrt: Im Gaming.“3

Auch Arbeiten wie die 2013 gestartete Videoreihe Other Places des Journalisten Andy Kelly zeugen von einem Interesse an Landschaftsdarstellungen im Computerspiel.4 Mit langsamen Kamerafahrten, atmosphärischer Musik und Einstellungswinkeln, die man im eigentlichen Spieldurchlauf so nicht sehen kann, legt Kelly die Betonung auf die Szenerien – frei von HUD, NPCs oder dem eigenen Avatar – „damit die Betrachter die von den Videospielkünstlern mit großer Sorgfalt kreierten feinen Details der Welt genie­ßen können.“5 Dass das Erhabene ein diskussionswürdiges Phänomen im Computer­spiel darstellt, belegen ebenso zahlreiche wissenschaftliche wie auch feuilletonistische Aufsätze, die diese ästhetische Kategorie an Titeln wie Shadow of the Colossus6, No Man‘s Sky7 oder Journey8 beleuchten.


Angeregt durch ebensolche Projekte ist das Ziel dieser Ausarbeitung, zu analysieren, ob und, wenn ja, wie im Computerspieltitel The Legend of Zelda: Breath of the Wild ein Gefühl von Erhabenheit insbesondere durch seine Darstellung der Landschaft erzeugt wird.


Der 2017 von Nintendo für die Wii U und Switch veröffentlichte Ableger der populären Reihe zeichnet sich gegenüber seinen Vorläufern durch eine weitläufige Open World aus. Aufgrund dieser Computerspielwelt, die Spielenden ein erstaunliches Maß an Freiheit gewähren soll, führt beispielsweise der Spiegel den Titel in seiner Aufzählung der zehn besten Computerspiele des letzten Jahrzehnts.9 Diese Faszination für eine digitale Landschaft macht The Legend of Zelda: Breath of the Wild10 zu einem optimalen Kandidaten, um zu prüfen, ob und wie Erhabenheit durch die Spielwelt generiert wer­den kann.


Promo-Artwork von Nintendo zu Zelda: Breath of the Wild - Blick auf Landschaft
Bereits mit dem Promo-Artwork zeigt © Nintendo, dass die Betrachtung und Erfahrung der Landschaft im Mittelpunkt von Breath of the Wild steht.

Die Kriterien für das Erhabene werden anhand von Friedrich Schillers Ausarbeitung Vom Erhabenen (1793) definiert. Diese Fortführung der kantschen Theorie des Stoffes ist im deutschsprachigen Diskurs wegen seiner damals neu formulierten Rolle für die Kunst wichtig. Da es ein Anliegen dieses Aufsatzes ist, das Computerspiel in einer kunstwissenschaftlichen Tradition zu lesen, die neben dem ludischen Aspekt vor allem die Bildsprache des Werks betrachten will, eignet sich eine Basis wie diese gut. Außer­dem decken sich die für Z: BotW formulierten Themen „Kampf gegen die Welt“11 und „das Gefühl von Freiheit“12 vortrefflich mit Schillers Verständnis des Erhabenen, wel­ches ebenfalls Gedanken wie den ‚Widerstreit mit der Natur‛ und die ‚geistige Freiheit ihr gegenüber‛ beinhaltet.


Im Folgenden wird knapp das zu besprechende Computerspiel Z:BotW vorgestellt und anschließend eine Zusammenfassung von Schillers auf Kant aufbauende Theorie wie­dergegeben. Die Analyse gliedert sich demnach in die von Schiller katego­risierten Fälle von Erhabenheit: das Theoretischerhabene sowie die beiden Ausführungen des Praktischerhabenen, das Kontemplativerhabene und das Pathetischerhabene. Für jedes aufgeführte Beispiel wird geprüft, ob sich Belege in Z:BotW finden lassen. Das abschließende Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen, reflektiert potentielle Schwierigkeiten der Analyse und gibt einen Ausblick auf eine mögliche Erweiterung der hier formulierten Forschungsfrage.


Die Hauptquelle (Vom Erhabenen) wird durch Sekundärliteratur zu Schillers direktem Nachfolgewerk Über das Erhabene und den Erkenntnissen der hier bereits erwähnten Paper unterstützt sowie mit Interviews der Entwickler über die Arbeit an Z:BotW ergänzt.


[Fortsetzung folgt!]



 


1 Rijksmuseum Twenthe (2018): Sublime Landscapes in Gaming. Online unter: https://www.rijksmuseumtwenthe.nl/content/559/de/sublime-landscapes-in-gaming (zuletzt aufgerufen am 09.06.2020).

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Vgl. Kelly, Andy (2015): Other Places. 234-239. In: Film und Games. Ein Wechselspiel. Hrsg. von Deutsches Filminstitut – DIF e.V. / Deutsches Filmmuseum, Frankfurt am Main. Katalog anlässlich der Ausstellung: Film und Games. Ein Wechselspiel. Im Deutschen Filmmuseum, Frankfurt am Main vom 01.07.2015 bis zum 31.01.2016. Bertz + Fischer: Berlin. S.234-239.

5 Ebd.: 238.

6 Siehe dazu beispielsweise Hensel, Thomas (2012): Autodestruktionen│Autoikonoklasmen des Com­puterspiels. In: I am Error. Störungen des Computerspiels. Navigationen. Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften 12 (2012). Hrsg. Benjamin Beil et al. Universi: Siegen. S.99-166. Online unter: https://mediarep.org/bitstream/handle/doc/1712/Navigationen_12_2_BEIL_ea_I_am_error.pdf?sequence=1&isAllowed=y (zuletzt aufgerufen am 24.07.2020).

7 Siehe dazu beispielsweise Shaller, Caspar (2016): Im Weltraum hört dich keiner schreien. In: Die Zeit 37. Online unter: https://www.zeit.de/2016/37/no-mans-sky-universum-computerspiel-verzweiflung/komplettansicht (zuletzt aufgerufen am 19.07.2020).

8 Siehe dazu beispielsweise Pavel, Adriana (2018): Das Motiv des Erhabenen in Journey. Online unter: https://languageatplay.de/2018/02/14/das-motiv-des-erhabenen-in-journey/ (zuletzt aufgerufen am 25.07.2020).

9 Vgl. Neeb, Christian (2019): Legend of Zelda: Breath of the Wild. In: Die zehn wichtigsten Games des Jahrzehnts – und die zehn besten. Online unter: https://www.spiegel.de/netzwelt/games/die-zehn-wichtigsten-games-des-jahrzehnts-und-die-zehn-besten-a-1301688.html#js-article-comments-box-pager (zuletzt aufgerufen am 28.06.2020).

10 Wird im Folgenden mit ‚Z:BotW‛ abgekürzt. Für die Analyse wird ausschließlich das Hauptspiel ohne die Erweiterungen durch DLCs berücksichtigt.

11 The Legend of Zelda: Breath of the Wild – Master Works (2019): 14. Hrsg. von Benjamin Spinrath (Deutsche Ausgabe). Tokyopop: Hamburg.

12 Ebd.: 223.


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